an der Vorderachse des S 211.272 "E 500 T 5.5".
I. Einführung
Nach einem Kostenvoranschlag einer Vertragswerkstatt kam ich doch ins Grübeln, ob und in wieweit nicht der eigenhändige Wechsel der Bremsbeläge wirtschaftlich Sinn machen könnte. Stellt man den eigenen Stundenlohn den eingesparten Kosten gegenüber, muss sich wohl jeder selbst diese Frage beantworten. Exemplarisch wird im Folgenden der Bremsbelagswechsel an der Festsattelbremse des Mercedes E 500 MoPf beschrieben.
II. Benötigte Hilfsmittel
Keine Reparatur kann ohne richtiges Werkzeug erfolgen. Nutzt man ungeeignete Hilfsmittel, ist die Gefahr von Beschädigungen oder einer Fehlmontage nicht unerheblich!
Übersicht über benötigte Hilfsmittel
III. Benötigte Teile
Bei der Auswahl der Bremsbeläge gilt es aufzupassen, gibt es doch eine Vielzahl von Fallstricken.
1. Mechanisch passende Teile
Zunächst ist abzuklären, in wieweit die Bremsbeläge mechanisch in den Bremssattel passen. Leider verfügen die meisten Online-Shops nur einen Filter nach Schlüsselnummer, nicht aber nach Fahrgestellnummer. Hersteller wie Mercedes, aber auch andere, verbauen jedoch bei ein und demselben Modell verschiedene Bremsanlagen, je nach gewählter Ausstattung oder Bauzeitraum. Es empfiehlt sich also zu Vergleichszwecken entweder die original-Teilenummer der Bremsbeläge zu beschaffen (z.B. bei der Vertragswerkstatt oder in Internetforen) oder zumindest die Abmessungen der Beläge zu dokumentieren und dann geziehlt die Online-shops zu durchforsten.
Für den 211.272 "E 500T MoPf" mit Sportpaket ergeben sich folgende Mercedes Nummern:
2. Welche Beläge nimmt man?
Der Markt bietet eine Vielzahl von Belägen an. Von No-Name hin zur Marke. Staubreduzierende Keramikbeläge. Sportbeläge. Die Auswahl ist fast schon erschlagend. Man könnte geneigt sein, das zu bestellen, dessen sich der Hersteller auch bedient. Im Fall des E 500 mit der 350mm Bremsanlage ist dies Jurid (Honeywell). Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die Fahrzeughersteller mit ihren Zulieferern enge Verträge haben, die die Belagsmischung exklusiv für den Hersteller sichern. Im Zubehör erworbene Beläge des gleichen Zulieferers haben demnach nicht selten eine abweichende Belagsmischung. Ich selbst habe mich für einen guten Markenbremsklotz entschieden.
3. Zulässigkeit
Bremsbeläge benötigen in Europa eine Zulassung (E-Prüfnummer). Auf diese gilt es schon aus Gründen der eigenen Sicherheit zu achten. Man stelle sich einen Sportbremsbelag vor, der jedoch bei kalter Bremse nicht verzögert - so ein Belag würde zum Glück kein E-Zeichen erhalten. Insofern ist dies auch ein gewisses Qualitätsindiz.
4. Fazit
Ich habe bei ws-autoteile (externer Link) unter anderem Jurid-Bremsklötze bestellt. Bitte nicht den passenden Warnkontakt vergessen!
IV. Der Wechsel
1. Vorarbeit
Grundsätzlich sind die Arbeiten nacheinander an jeder Seite durchzuführen. Dabei sollte eine Seite immer unangetastet bleiben, um im Falle von Unsicherheiten wie etwas montiert war den Vergleich zu haben. Die folgende Beschreibung gilt nicht für Fahrzeuge mit SBC-Bremssystem! Hier bitte gesonderte Hinweise beachten!
2. Aufbau des Festsattels
Um den Wechsel der Bremsbeläge fachgerecht zu vollziehen, muss der Aufbau einer Festsattelbremsanlage verstanden werden.
350mm Bremsanlage von Mercedes
Die (wesentlichen) Bestandteile:
Die 350mm Anlage verfügt über einen Vierkolben Festsattel. Wird die Bremse betätigt drücken jeweils zwei Kolben (4) auf den jeweiligen Belag (3) und pressen diese so auf die Bremsscheibe. Die Beläge werden dabei durch die Splinte (1) gegen Verrutschen geschützt. Die Feder (2) verhindert unangenehme Vibrationen (Quitschen).
3. "Action"
Wie beschrieben drücken die Kolben die Beläge gegen die Scheibe. Nun haben aber verschlissene Bremsklötze eine deutlich geringer Stärke (Dicke) als neue Bremsklötze. Daher müssen zunächst die Bremskolben zurückgedrückt werden. Die Werkstatt benutzt dazu eine Presse. Wir können uns jedoch mit einer Zange und einem Schraubenzieher helfen.
Demontage der verschlissenen Bremsklötze
Bevor die neuen Beläge montiert werden können, sind gewisse Zwischenschritte nötig. Zunächst sollte man die alten und neuen Bremsbeläge optisch vergleichen. Sind sie vergleichbar ist an der Trägerplatte der neuen Beläge (Hinterseite) Keramikpaste aufzutragen. Ich verwende Pagid.
Keramikpaste von Pagid
Dies dient dazu Vibrationen zu verhindern (Quitschen). Die früher verwendete Kupferpaste empfiehlt sich bei modernen Bremssystemen aufgrund von Wechselwirkungen mit dem ESP nicht. Achtung: Die eigentliche Kontaktfläche Bremsscheibe/Beläge muss zwingend immer frei von Ölen und Fetten gehalten werden!
Im nächsten Schritt wird an den Belag der Schleißsensor geclipt. Die Bremsklötze sind jetzt fertig zum Einbau. Bevor sie ihren Weg in die Bremssättel finden können, sollten diese von groben Schmutz befreit werden. Dazu mit der Messingbürste die angegebenen Stellen reinigen. Wenn nötig auch Bremsenreiniger verwenden.
Reinigung des Sattels mit Messingbürste
Nun können die Bremsbeläge in den Sattel geschoben werden. Achtung: Viele Beläge sind Laufrichtungsgebunden! Bitte entsprechende beigelegte Hinweise des Herstellers beachten! Pfeile auf der Trägerplatte beachten!
Die weitere Montage erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zur Montage. Zunächst die Splinte von hinten durch den Sattel und den hinteren Belag schieben. Anschließend die Feder auflegen und die Splinte durch diese schieben. Abschließend die Splinte mit Hammer und dicker Schraube oder Durchschlag durch den äußeren Belag und den Bremssattel treiben, bis die Splinte völlig im Sattel aufgenommen wurden. Nun kann auch der Verschleißsensor ans Fahrzeug angeschlossen werden.
4. Nacharbeit
V. Einbremsen
Eine so aufgefrischte Bremse muss zunächst eingefahren werden. Dabei sollte man Vollbremsungen vermeiden. Da ich die Bremsscheiben nicht erneuert habe, gestaltet sich das Einbremsen deutlich komplexer als gedacht. So müssen sich die Beläge zunächst der Oberfläche der Bremsscheibe anpassen - dies dauert bis zu 500km. Anschließend muss die Scheibe eingelaufen werden:
VI. Fazit
Gegenüber dem Vertragshändler konnte ich etwa 120 € einsparen. Lässt man sich Zeit, benötigt man rund eine Stunde pro Achse. Sicherlich werden einige einen Stundenlohn von mehr als 120 € haben - allerdings kann man die Sache ja auch als Hobby betrachten ;). [JG]
Do-It-Yourself: Alle Anleitungen zur Fahrzeugwartung und Instandsetzung erfolgen ohne Gewähr. Bei Unklarheiten besser immer nachfragen!
Weitere Details zum Mercedes E500T finden Sie im: