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Wann schalten, wie beschleunigen

um Kraftstoff zu sparen!

I. Einleitung

Als ich vor Jahren meinen Führerschein gemacht habe, da wurde auf Kraftstoffsparendes Fahren kaum Wert gelegt. Schaut man, oder vielmehr hört man, heute ins Straßenbild, so scheinen noch immer viele die alten Techniken zu beherzigen. So manch einer nutzt bei 50km/h den dritten Gang -  das war ja schließlich schon immer so. Überhaupt, "untertourige" Fahrweise schade ja dem Fahrzeug. Der Reihe nach.

 

 

II. Die Theorie

Immer diese Theoretiker, nicht wahr? Keine Angst, ich werde Sie nicht über die Maßen mit Grundlagen der Thermodynamik belasten. Doch soviel muss sein:

Der effektive Wirkungsgrad eines Hubkolbenmotors (Sauger) ist definiert als Summe des Wirkungsgrads des vollkommenen Motors, dem Gütegrad und dem mechanischen Wirkungsgrad.

Klingt kompliziert - ist es aber gar nicht. Blendet man nämlich alle von der Motorauslegung vorgegebenen Parameter wie Hubraum, Verdichtungsverhältnis, Hub und vieles mehr aus, so bleiben nur wenige Einflussmöglichkeiten des Fahrers auf den Wirkungsgrad übrig:

Liefergrad = Gaspedalstellung und Drehzahl

Der Liefergrad wird durch Drosselverluste verschlechtert. Gemeint ist die Ansaugseite des Motors. Je mehr Widerstände dort eingebracht werden, zum Beispiel durch die Drosselklappe, desto höher die Verluste. Ist die Drosselklappe also ganz offen - also Vollgas - ist der Liefergrad maximal. Der Motor hat so die Chance auf maximale Effizienz.

Die Drehzahl bestimmt den mechanischen Wirkungsgrad. Je höher die Drehzahl, desto größer die mechanischen Verluste im Motor. Eigentlich recht logisch - mehr Reibung, mehr Energie, die für den Antrieb des Ventiltriebs verwendet werden muss.

In der Theorie heißt es also: Je niedriger die Drehzahl und je mehr Gas man gibt, desto sparsamer wird die Kiste.

 

III. Der Realitätscheck

Blöde Theorie. Lässt sich das in die Praxis übertragen? Um dies zu überprüfen bietet sich ein Blick ins Verbrauchskennfeld an. In einem Verbrauchskennfeld stellt man den spezifischen Verbrauch eines Motors in Abhängigkeit von Drehzahl und Mitteldruck (vereinfacht: abgegebenem Drehmoment/Leistung) dar. Unter spezifischen Verbrauch wird dabei der Kraftstoffbedarf verstanden, um eine kWh zu erzeugen.

Vereinfacht: Im Verbrauchskennfeld kann man also ablesen, wieviel Sprit nötig ist um 1 PS zu erzeugen.

Wie sieht so ein Verbrauchskennfeld aus? Exemplarisch sei der Mercedes M 273 E55 genannt. Es handelt sich dabei um einen 5,5 Liter V8, einen Saugrohreinspritzer.

M 273 E55 (Quelle MTZ12/2005)

Auf der X-Achse findet sich die Drehzahl. Auf der Y-Achse der effektive Mitteldruck (der Drehmoment/Leistung bestimmt). Die blaue Linie beschreibt den maximalen effektiven Mitteldruck (und diese Kurve entspricht genau der Drehmomentkurve). Grün eingezeichnet sind Linien gleichen spezifischen Verbrauchs.

 Steigen wir in das Diagramm ein: Bei etwa 1300/min bis 2000/min findet man bei 8bar mit 235g/kWh den minimalen spezifischen Verbrauch. 8bar (bei 9-11bar maximalen effektivem Mitteldruck) entsprechen 80-90% Gaspedalstellung. Je höher die Drehzahl steigt, desto höher wird auch der spezifische Verbrauch. Bei 5000/min kann man zum Beispiel bestenfalls 290g/kWh erreichen. Je niedriger der effektive Mitteldruck (und damit die Gaspedalstellung, desto schlechter (hier 500g/kWh).

Eine Anekdote am Rande. Ein Freund von mir fährt den identischen Wagen mit einem Motor aus der gleichen Motorenfamilie. Allerdings ist sein Triebwerk um einiges schwächer. Fahren wir zusammen auf die Autobahn um sehr zügig zu Reisen, lasse ich ihn deshalb immer vor mir fahren. Er bestimmt also die Beschleunigung und die Geschwindigkeit. Während er seinen Motor (3.0 V6, 231PS) voll ausdrehen muss, kann ich (5.5 V8, 387PS) bei mittlerer Drehzahl hinterher schwimmen. Ich bewege mich also bei ~3000/min mit 250g/kWh und er bei ~6000/min mit 300g/kWh. Am Ende verbraucht mein Wagen dann tatsächlich erheblich weniger! Leider kehrt sich dieses Bild bei beiderseitig sehr ruhiger Fahrweise um.

 

IV. Optimale Schaltpunktdrehzahl?

Wann sollte man also schalten? Kommt darauf an.

1. Stationäre Geradeausfahrt (Konstantfahrt)

Will man eine Geschwindigkeit halten, so gilt bei allen Motoren die Drehzahl so gering wie möglich zu halten.

Beispiel Volkswagen 1.6 FSI.

Volkswagen BLF "1.6 FSI", Quelle: Volkswagen.de

Fährt man diesen Motor im Volkswagen Golf V 1.6 FSI zum Beispiel bei 100km/h, so werden zur Überwindung der Fahrtwiderstände gute 16kW benötigt. Bei 100km/h sind folgende Gänge denkbar (Serienbereifung 195/65 R15, Neureifen):

  • 3. Gang 5100/min
  • 4. Gang 3850/min
  • 5. Gang 3220/min
  • 6. Gang 2800/min

Werfen wir einen Blick in das Leistungsdiagramm:

Betrachten wir zunächst den 6. Gang. Hier dreht der Motor bei 100km/h 2800/min. Bei 2800/min kann der FSI unter Vollgas etwas mehr als 40kW leisten. Für 16kW muss man das Gaspedal also in etwa 40% durchrücken (16/40). Geht man mit diesem Wert in das Verbrauchskennfeld, so ergibt sich bei 2800/min ein maximaler Mitteldruck von etwa 11,5bar (=40kW bei 2800/min). Für 16kW (40% maximaler Mitteldruck) liegt etwa ein effektiver Mitteldruck von knapp unter 5bar an. Aus dem Diagramm kann man nun einen Wert von etwa 250g/kWh für 16kW bei 2800/min ablesen. Dieses Prozedere wiederholt man für die übrigen Gänge:

Gang Drehzahl Vollgas für 16kW max. Mitteldruck für 16kW spezf. Verbrauch
3. Gang 5100/min 81kW 20% 12,0bar 2,4bar 400g/kWh
4. Gang 3850/min 60kW 27% 12,0bar 3,2bar 300g/kWh
5. Gang 3220/min 50kW 32% 11,5bar 3,7bar 280g/kWh
6. Gang 2800/min 40kW 40% 11,5bar 4,6bar 250g/kWh

 Diese Rechnung kann bei jeder beliebigen Geschwindigkeit wiederholt werden - das Ergebnis ist immer gleich. Der minimale Verbrauch liegt im höchsten möglichen Gang an.

2. Beschleunigung

Einen generell gültigen Hinweis bezüglich der Beschleunigung kann man nicht geben. Hierfür unterscheiden sich die Verbrauchskennfelder von Motoren je nach Einspritzart, Zylinderzahl und Verwendung von Aufladung. Vergleicht man die oben gezeigten Verbrauchskennfelder, so erkennt man schnell Unterschiede. Während der Saugrohreinspritzer ein relativ schmales verbrauchsgünstiges Band bei niedrigen Drehzahlen hat, ist der Direkteinspritzer FSI bis in die mittleren Drehzahlen hinein unter hoher Last sehr sparsam.

Der Tip möglichst früh auch beim Beschleunigen zu schalten ist zunächst mal nicht verkehrt. Allerdings kann man bei Direkteinspritzern ähnlich effektiv auch bei mittleren Drehzahlen beschleunigen - vorausgesetzt man möchte tatsächlich aufgrund der Verkehrssituation auch schneller beschleunigen. Denn eines ist immer gleich:

Man muss unter 80-90% Vollgas beschleunigen! Hält man zusätzlich die Drehzahlen dabei noch so gering wie möglich (nicht mehr als 2000/min) wird mit jedem modernen Motor gespart. Einige Motoren erlauben effiziente Beschleunigung (bei 80-90% Gaspedalstellung) auch darüber hinaus.

 

V. Schädlich für den Motor?

Verschiedene Gerücht halten sich hartnäckig auch bei Auto-Enthusiasten. Das Fahren unterhalb von 1500-2000/min schädige:

  1. die Lager der Kurbelwelle,
  2. Mögliche Vibrationen schädigen die Motorlager / das (wenn vorhanden) Zweimassenschungrad.

In früheren Fahrzeugbetriebsanleitungen fanden sich tatsächlich entsprechende Passagen, die das Fahren unterhalb von 1500/min reglementierten. Diese sind aus heutigen Handbüchern verschwunden. Der Hintergrund ist ein ganz einfacherer: Jedes moderne Fahrzeug mit intakter Ölversorgung kann selbst bei extrem heißem Öl auch unter Leerlaufdrehzahl eine ausreichende Schmierung der Lager sicherstellen. Punkt 1 ist definitiv nicht mehr valide. Vibrationen hingegen sind schon für Mitfahrer unangenehm und deshalb möglichst zu vermeiden. Es gilt somit: Solange ein Fahrzeug nicht Resonanzfrequenzen aufweist (brummt), solange ist alles wunderbar. Niedrige Drehzahlen sind als solches nicht schädlich. Allerdings sollte man ab und an durchaus auch ein paar Minuten länger höhere Drehzahlen auch bei höherer Last fahren. Hintergrund sind Ablagerungen (Verkokungen), die sich im Motor, speziell auch auf den Einlassventilen, bilden können. Um diese freizubrennen sind höhere Brennraumtemperaturen nötig. Man merkt bei einigen Fahrzeugen - besonders den Direkteinspritzern - durchaus die Veränderung im Motorverhalten nach einem Freibrennen.

 

VI. Fazit

Wer dafür sorgt, dass sein Fahrzeug ab und an auch mal die Sporen bekommt, macht mit dem Fahren bei unter 2000/min nicht falsch. Moderne Automatikgetriebe machen übrigens genau das schon im Normalmodus. [JG]

Fahrphysik

Die hier gelisteten Beiträge sollen keine Physikvorlesung ersetzen. Sie sollen vielmehr Zusammenhänge aufzeigen und vereinfacht darstellen!