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Quo vadis Allrad?

I. Einleitung

Jahrelang war ich überzeugter Verfechter des Hinterradantriebs. Wie jedermann müssen jedoch beim Fahrzeugkauf auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Als Jahreswagenkäufer verschieben sich da möglicherweise etwas die Verhältnisse – zumindest bei Mercedes sind Allradfahrzeuge (4matic genannt) spürbar preiswerter zu erstehen. So kommt es wie es kommen muss: Ich beschäftige mich eingehend mit dem Thema 4matic.

 

II. Funktionsweise

Beginnend mit der scheidenden S-Klasse BR 221 führt Mercedes einen neuen Allradantrieb ein. Die Kraft wird dabei vom Motor zur 7-Gang-Automatik 7g-Tronic bzw. 7g-TronicPlus geleitet. Von dort wird sie in ein Verteilergetriebe (Mitteldifferential mit Lamellen-Festwertsperre) geleitet. Dieses Differential hat zwei Ausgänge – eine Welle geht zur Hinterachse und leitet 55% der Kraft an die Hinterräder. Eine andere Welle führt nach vorne und treibt mit 45% die Vorderräder an.[1]

An der Vorder- und Hinterachse befinden sich entsprechende Achsgetriebe. Diese verfügen jedoch über keinerlei Sperrwirkung. Diese Aufgabe übernimmt die Regelelektronik: ESP, ASR und 4ETS. 4ETS verteilt die Antriebskräfte über die Radbremsen. Hat ein Rad Schlupf, so wird über selektive Bremseingriffe ein Durchdrehen verhindert und die Kraft so an andere Räder weitergeleitet.[2]

III. Subjektiv?

Gefahren wurde die 4matic von mir vor allem im E 500 BiTurbo (W 212). So ausgerüstet werden Traktionsprobleme beim Sprint aus dem Stand tatsächlich minimiert. Auf trockener Fahrbahn bedarf es schon massiv eingeschlagener Vorderräder um spürbaren Schlupf zu generieren. Die ESP-Lampe bleibt dabei genauso arbeitslos, wie der Gasfuß des Fahrers. Der kann ohne Umschweife wie ein Ziegelstein das Pedal durchdrücken und muss nicht mehr lupfen.

Bei Nässe, gerne auch auf Kopfsteinpflaster, sieht man zwar die Regelsysteme arbeiten, gleichsam bekommt man davon als Fahrer wenig mit. Der Vortrieb ist und bleibt nahezu ungebrochen – bei extrem hoher Spurstabilität. Dies ist besonders beeindruckend, wenn das Fahrzeug rechts und links auf unterschiedlichen Reibwerten steht. Fährt man z.B. mit den linken Rädern auf einer Sperrlinie während die rechten Räder volle Traktion haben, so merkt man dies ausschließlich an den Anzeigen im Cockpit. Die Fuhre selbst aber treibt stoisch nach vorne.[3]

Genau dieses stoische vorantreiben wird jedoch im Grenzbereich wenn auch nicht problematisch, aber doch Dynamik-hemmend. Nicht das wir uns falsch verstehen. Für den Normalfahrer ist der 4matic 212er jederzeit sicher und beherrschbar. Durch die starre Lastverteilung ist das Fahrverhalten zudem überaus berechenbar – fast schon Idiotensicher.

Doch was, wenn man es mal wissen will? Wie reagiert der Allradler im Grenzbereich? Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Mit hemmungslosem Untersteuern. Wer in eine Kurve einlenkt und am Scheitel Gas gibt, der ändert das leicht untersteuernde Kurvenverhalten der E-Klasse mit dem Gaseinsatz sofort ins satte Leistungsuntersteuern.[4] Hier ist der Hinterradantrieb deutlich im Vorteil. Denn während auch dieser im Schubbetrieb leicht untersteuert, kann man ihn mit dem Gasfuß neutral aus der Kurve herauszirkeln. Die Vorteile ergeben sich jedoch erst bei schnelleren Kurven ab 50km/h. Darunter kann die 4matic mit ihrer phänomenalen Traktion vieles wettmachen. Zudem schafft sie viel Vertrauen in das Fahrzeug, so dass der eine oder andere geneigt sein möchte, näher an den Grenzbereich des Fahrzeuges zu gehen, als man es gewöhnlich tut.

IV. Fazit

4matic macht den Wagen weder sicherer noch schneller. Sie erhöht aber den Fahrkomfort ungemein, indem:

  • sie Ruhe in den Wagen bringt.
  • Kein leicht tänzelntes Heck mehr, auch nicht auf Schnee[5]
  • Vorhersehbares Fahrverhalten ohne plötzliches Leistungsübersteuern.
  • Fantastische Regelelektronik, die den Wagen nie bis zum Stillstand einbremst und so das Erklimmen von starken Steigungen ermöglicht.[6]

Wie wirkt sich die 4matic jedoch auf den Verbrauch und die Fahrzeugmasse aus? Nun, sicherlich nicht positiv. Der von mir gefahrene E 500 4matic brachte stolze 2.060kg auf die Waage der Stadtwirtschaft. Ein direkter Vergleich – auch bezüglich des Verbrauches  - verbietet sich mir jedoch, da mir kein identisch ausgestatteter Vergleichswagen ohne 4matic zur Verfügung steht. Im Vergleich zum E 500 5.5 Kombi ohne 4matic besticht der 4matic allerdings mit seiner Traktion und Minderverbrauch (was jedoch der moderneren Technologie und der anderen Aufbart geschuldet sein dürfte) - allerdings zu Lasten der Agilität. [JG]

 

  1.  AMS 3/2013, S. 75.
  2. Sport Auto vom 16. März 2007.
  3. So auch Autobild vom 7.11. 2006, AMS (siehe Fn 1), SA (siehe Fn 2).
  4. So auch die SA (siehe Fn 2), die dem S 500 ein sattes Untersteuern beim Slalom attestieren musste.
  5. So auch der Stern vom 5. Januar 2010.
  6. So auch AMS (siehe Fn 1).

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